Vor 90 Jahren: Verabschiedung der „Nürnberger Gesetze“

18/09/25

Vor 90 Jahren: Verabschiedung der „Nürnberger Gesetze“
Gedenken am Mahnmal für die von den Nationalsozialisten ermordeten Sinti und Roma

Vor 90 Jahren, am 15. September 1935, wurden die „Nürnberger Gesetze“ erlassen. Sie ebneten als juristische Grundlage den Weg für die weitere Verfolgung – der Juden ebenso wie der Sinti und Roma. Die Gesetze legitimierten den Ausschluss der Sinti und Roma aus der Gesellschaft, es folgten „Festsetzung“, Deportationen in Lager und der systematische Völkermord. Erich Schneeberger, Vorsitzender des Verbands Deutscher Sinti und Roma, Landesverband Bayern, und der Nürnberger Oberbürgermeister Marcus König (CSU) gedachten der Opfer dieser verbrecherischen Politik und legten Kränze am Mahnmal für die von den Nationalsozialisten ermordeten Sinti und Roma nieder. Anwesend waren auch viele Mitglieder des Stadtrats, Jo-Achim Hamburger, Vorsitzender der Israelitischen Kultusgemeinde Nürnberg, die Landtagsabgeordnete Verena Osgyan und Dekan Schiller vom Evangelisch-Lutherischen Dekanat Nürnberg. –

Erich Schneeberger erinnerte anlässlich des Jahrestags an die bewusste Wahl des Standortes für das Mahnmal in Nürnberg: „Im Jahr 2000 konnte ich gemeinsam mit dem damaligen Nürnberger Oberbürgermeister Ludwig Scholz an dieser Stelle das Mahnmal für die von den Nationalsozialisten in die Konzentrationslager deportierten und ermordeten Nürnberger Sinti und Roma enthüllen. Ausschlaggebend für die Wahl dieses Standorts war die unmittelbare Nähe zum ehemaligen Kulturvereinshaus, in dem die Nürnberger Rassengesetze 1935 beschlossen wurden. Das Kulturvereinshaus befand sich auf der gegen-überliegenden Straßenseite – dort, wo sich heute das Gebäude der AOK befindet.“

Marcus König wies eindringlich darauf hin, dass die formalrechtliche Anerkennung der Minderheit auch mit Leben gefüllt werden müsse: „Es ist eine große Errungenschaft, dass wir einen in Staatsverträgen verankerten Minderheitenschutz in der Bundesrepublik haben. Aber die soziale Praxis muss dem auch entsprechen: Angehörige der Minderheit müssen ihre kulturelle Identität ohne Furcht vor Diskriminierung leben können. Und wir alle müssen unseren Teil dazu beitragen, dass die Nürnberger Sinti und Roma sichtbar sein können und ihre Zugehörigkeit nicht verleugnen müssen. Dafür stehen wir, zusammen mit dem Landesverband, für dessen Engagement ich mich hier ausdrücklich bedanke.“ König verurteilte in diesem Zusammenhang die mutwillige Beschädigung der Informationstafel am Mahnmal in diesem Sommer. Diese Tat zeige, dass der Kampf gegen Antiziganismus mit großem Nachdruck und mit Dringlichkeit geführt werden müsse.

Historische Einordnung: Am 15. September 1935 erließ der eigens nach Nürnberg einberufene Reichstag während des siebten Parteitags der NSDAP die sogenannten „Nürnberger Gesetze“. Die Abgeordneten tagten im damaligen Kulturvereinshaus am Frauentorgraben und verabschiedeten zwei zentrale Gesetze: Das „Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre“ verbot Eheschließungen und außereheliche Beziehungen zwischen Juden und „Deutschblütigen“; das „Reichsbürgergesetz“ degradierte alle Menschen jüdischen Glaubens zu „Staatsangehörigen“ ohne Bürgerrechte.

Die ursprünglich primär gegen die jüdische Bevölkerung gerichtete Gesetzgebung wurde wenige Monate später ausgeweitet: Auf direkte Anweisung von Reichsinnenminister Wilhelm Frick vom 3. Januar 1936 wurden auch Sinti und Roma den diskriminierenden Bestimmungen der „Nürnberger Gesetze“ unterworfen. Der Erlass stellte explizit fest, zu den „artfremden Rassen“ gehörten „in Europa außer den Juden regelmäßig nur die Z***.“

Diese rechtliche Grundlage ebnete den Weg für die systematische Verfolgung: Es folgten gesellschaftliche Ausgrenzung, Erfassung durch die „Rassenhygienische Forschungsstelle“ des Reichsgesundheitsamtes, Zwangssterilisationen, „Festsetzung“ in Lagern und schließlich die Deportation in die Vernichtungslager. Bis zu 500.000 Sinti und Roma wurden während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft ermordet – durch systematische Vernichtung in den Lagern wie durch Massenexekutionen vor allem in den besetzten Ostgebieten.